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Christian Schenk im Talk: “Der Bauer aus dem Silbertal bezahlt mich mit Brombeeren”

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WANN & WO: Aufgewachsen sind Sie in Graz. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit?
Dr. Christian Schenk: An Graz habe ich nur ganz dunkle Erinnerungen. Als ich dreieinhalb Jahre alt war, sind wir nach dem Tod meines Vaters – er war Internist – nach Wien gezogen. Er hat zu meiner Mutter gesagt, sie soll schauen, dass aus uns Kindern etwas wird. Ich fühle mich auch heute noch als Wiener.

WANN & WO: Noch immer nicht als Vorarlberger?
Dr. Christian Schenk: Nein, hier werde ich immer fremd sein. Auch wenn ich jetzt schon mehr als die Hälfte meines Lebens in Vorarlberg wohne. Für einen Wiener ist es hier am Anfang schon schwer, aber wenn man erst einmal angekommen ist, ist das Leben viel tiefgründiger, nicht so oberflächlich. Ich kann sagen, das ist meine Heimat, die Heimat meiner Kinder, ich bin verheiratet mit einer Montafonerin – hier bin ich „gebased“. Nach Wien könnte ich nie wieder fix gehen, das würde ich nicht aushalten.

WANN & WO: Sie haben Ihre Ausbildung also in Wien gemacht?
Dr. Christian Schenk: Ja, ich habe das Piaristengymnasium im 8. Bezirk besucht. Etienne Wenzl, er ist jetzt Chefchirurg in Feldkirch, ist mit mir zur Schule gegangen. Danach habe ich das Medizin-­Studium begonnen. Es hat geheißen, Medizin sei überlaufen. 1800 würden sich bewerben, Platz wäre für 1200. Wer zuerst kam, um sich zu immatrikulieren, wurde aufgenommen. Ich bin am Abend davor hingegangen, habe auf den Stufen der Hauptuni mit dem Schlafsack übernachtet und hatte schlussendlich die Matrikelnummer 7100180. Das heißt also, ich war als 180. dort. Mein Maturadurchschnitt war nicht einmal so gut. Was hatten Sie?

WANN & WO: Puh, ich glaube 2,2.
Dr. Christian Schenk: Ich hatte 3,0. Dafür war meine Rückhand besser, als die von so manch anderem (lacht). Ich habe immer für den Sport gelebt, meine Mutter war eine Weltklasse-Leichtathletin.

WANN & WO: Der Vater Internist, die Mutter Leichtathletin. Wann haben Sie die Entscheidung für die Medizin – und gegen den Sport getroffen?
Dr. Christian Schenk: Arzt wollte ich eigentlich immer schon werden. Obwohl ich national und auch international Tennis gespielt habe, heute würde man sagen Challenger-Turniere. Wirklich gut war ich aber nie – man hätte unglaublich viel investieren müssen. Mit 21 habe ich mich entschieden, Medizin weiter zu studieren.

WANN & WO: In den 1980er-Jahren waren Sie auf dem Golan. Was war das prägendste Erlebnis aus dieser Zeit?
Dr. Christian Schenk: Das war eine ganz andere Welt. Das kann man sich, wenn man hier sitzt, nicht vorstellen. Ein Kind wurde zu mir gebracht, es hatte ein Schädelhirntrauma, außerdem war der Schädelknochen ins Hirn hinein gedrückt. Mit einer örtlichen Betäubung hab ich das gerichtet. Den Moment als der Junge seine Augen aufgemacht hat, werde ich nie vergessen. Nach einem halben Jahr habe ich ihn dann wieder getroffen – völlig gesund. Auf dem Golan habe ich wirklich gelernt, mit einfachen Mitteln umzugehen. Den Hafiz al-Assad kannte ich auch, so per „Grüß Gott“.

WANN & WO: Wie Sie sagen, eine andere Welt – vor allem, wenn man jetzt einen Blick auf das Sanatorium in Schruns wirft. Wieso haben Sie sich entschieden, eine Privatklinik zu eröffnen?
Dr. Christian Schenk: Als junger Mensch hat man ja Träume, oder?

WANN & WO: Ja, schon.
Dr. Christian Schenk: Sonst ist’s ja langweilig. Und Träume muss man verwirklichen, sie werden nur immer aufwendiger (lacht) und man muss viel Energie investieren, das hat nichts mit Geld zu tun. Geld ist nur eine Wertschätzung der Leistung, so sehe ich das. Als Absolutes ist Geld völlig uninteressant. Zurück zu der Frage: Ich habe eine Privatklinik eröffnet, weil ich in den Spitälern nicht mehr glücklich war.

WANN & WO: Angefangen haben Sie in Feldkirch?
Dr. Christian Schenk: Genau, ich war auf der Unfall-Chirurgie. Eigentlich wollte ich nur drei Jahre bleiben und meine Ausbildung hier machen. Ich bin dann aber viel herumgekommen: Marseille, St. Gallen, USA. Ich war Mannschaftsarzt bei der VEU, bei den ÖSV-Damen auch und habe immer viele Weltklasse-Sportler behandelt. Nebenher habe ich am Arlberg oben viel gearbeitet. Zwei Männer, die mich immer beeindruckt haben, waren Otto Murr und Emil Beck, ehemaliger Chefprofessor. Er hat mich praktisch auch nach Vorarlberg „geholt“ und mich dann in ganz Europa herumgeschickt. Von beiden durfte ich unglaublich viel lernen, ersterer war wie ein Vater für mich und hat bis drei Monate vor seinem Tod bei mir gearbeitet. Solche Mentoren sind wichtig. Das waren wirklich zwei von den ganz Großen. Heute werden diejenigen mit viel Erfahrung rausgeschmissen. Mit der Zeit hat sich ein Kundenstock entwickelt, viele wollten einfach von mir persönlich operiert werden.

WANN & WO: Wie viele Operationen haben Sie hier in Schruns mittlerweile schon durchgeführt?
Dr. Christian Schenk: Rund 42.000. Davon über 30 Prozent Kniebänder, knapp unter 30 Prozent Schultern. Jetzt stelle ich mir die Frage: Wie viel Stück soll ich noch erreichen? 45.000? 50.000? 60.000?

WANN & WO: Und wer entscheidet das?
Dr. Christian Schenk: Der liebe Gott.

WANN & WO: Das heißt also, sie wollen operieren, bis Sie sterben?
Dr. Christian Schenk: Nein, bis es nicht peinlich wird. Es gibt einen sehr bekannten Chirurgen, der bis 85 am OP-Tisch stand. In diesem Alter kann ich vielleicht beratend tätig sein. Einen anderen musste man vom OP-Tisch wegziehen, das möchte ich nicht. An vorderster Front muss irgendwann fertig sein.

WANN & WO: Welches war die prominenteste Person, die je auf Ihrem OP-Tisch lag?
Dr. Christian Schenk: Es waren viele. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Zu mir kommen sie nicht nur mit Privat-Jets, sie holen mich auch mit großen Privat-Flugzeugen ab.

WANN & WO: Macht es für Sie einen Unterschied, ob ein Blaublütiger da liegt, oder ein „Normal-Sterblicher“?
Dr. Christian Schenk: Das ist ja das Schöne: Ich bin stolz, dass zu mir der Bauer aus dem Silbertal kommt und mich mit Brombeeren bezahlt. Der Druck ist bei Prominenten größer – der Mensch ist immer gleich. Wenn ich operiere, will ich meine Arbeit immer so gut wie möglich machen. Das gelingt mir oft, sonst würden wir nicht hier sitzen.

WANN & WO: Wie sieht ein normaler Arbeitstag von Dr. Schenk aus?
Dr. Christian Schenk: Der ist nicht normal (lacht). Ich arbeite so wie die New Yorker. Ich beginne um 14 Uhr, ab 19 Uhr stehe ich dann im OP – open end. Je nachdem, was der Berg abwirft (lacht).

WANN & WO: Als erfolgreicher Arzt ist man Angriffen und Geläster ausgesetzt. Wie nehmen Sie das wahr?
Dr. Christian Schenk: Vielleicht hinter vorgehaltener Hand. Aber ganz ehrlich: Darauf habe ich in meinem ganzen Leben noch nie viel Wert gelegt. Natürlich provoziert man Leute. Mit den Hubschraubern zum Beispiel. Mir wurde vorgeworfen: „Der Schenk geht aufs Hochjoch Skifahren oder auf den Golm zum Mittagessen und startet dafür seinen Helikopter.“ Davon kann natürlich keine Rede sein. Ich sage Ihnen: Diese Rotorblätter retten Leben. Da muss man eben die bekannte Elefantenhaut entwickeln, wir wissen aber: Elefanten mit dicker Haut haben ein gutes Gedächtnis.

WANN & WO: Sie haben eine beachtliche Sammlung an Oldtimern. Primar Haller hat einmal gesagt, das Auto sei eine Art verlängerter Arm des Narzissmus. Können Sie dem zustimmen?
Dr. Christian Schenk: Ja, das stimmt schon. Narzissmus ist ein bisschen extrem ausgedrückt. Was ich noch von meinem Studium weiß, ist das Auto der Ausdruck einer schlechten Toilettenerziehung. Wenn man die Kinder zu früh und zu aggressiv auf den Topf setzt, haben sie den Drang zu solchen Sachen – Sigmund Freud. Beides ist bei mir meiner Meinung nach nicht der Fall, vielmehr ist es eine Sammlerleidenschaft. Aber die Psychiater und Psychologen haben alle ihre eigenen Theorien.

WANN & WO: Haben Sie neben der Klinik überhaupt Zeit für die Familie?
Dr. Christian Schenk: Ja, aber zu atypischen Zeiten. Die Familie hält einen am Leben. Ich bin geschieden, war drei Jahre lang alleine – war auch eine lustige, ereignisreiche Zeit, muss ich ganz ehrlich sagen (lacht). Schlussendlich bleibt aber die Frage des letzten Sinns im Leben. Ich werde immer Vollgas im Beruf geben, damit muss ein Partner auch umgehen können. Und das kann meine Frau: Sie gibt mir Rückhalt, ist meine Muse.

WANN & WO: Sie haben viel mit Spitzen-Sportlern zu tun. Immer wieder werden kritische Stimmen laut, dass Skifahrer zu früh wieder Rennen bestreiten. Wie sehen Sie das?
Dr. Christian Schenk: Ich sage Ihnen nur so viel: Sportler verschieben Grenzen. Ein Arzt ist da, um ihnen zu helfen. Toni Innauer hat einmal gesagt: „Der Trainer muss den Läufer vor sich selbst schützen.“ Ein Sportler will immer mehr. Welche Aufgabe hat hier der Arzt? Muss er ihn auch schützen?

WANN & WO: Können Sie diese Frage beantworten?
Dr. Christian Schenk: Schwierig. Es gibt Limits – und diese muss man kennen lernen. Das kommt mit der Erfahrung. Jeder hat dazu natürlich eine eigene Einstellung. Dann gibt es noch Regeln an die man sich halten muss. Nicht nur der Sportler, auch der Arzt steht unheimlich unter Druck. Die Frage ist dann: Wie gehe ich damit um?

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